Am 10. September fand der Stammtisch unseres Netzwerks bei den Elbe-Weser Welten (EWW) statt, die aus zwei Gründen besonders interessant für die Unternehmen in unserer Region sind. Rund 40 Netzwerkmitglieder lernten die Vielfältigkeit der EWW kennen, erhielten Informationen über die App berry2b und tauschten sich im Anschluss beim Buffet über Herausforderungen, gemeinsame Projekte und mögliche Zusammenarbeiten aus – alles mit dem Ziel, den Fachkräftemangel zu verringern. Und wer noch Gründe sucht, dem Netzwerk beizutreten, oder wie er jemanden überzeugen kann, findet diese am Ende des Berichts.
Die EWW in Zahlen
Geschäftsführer Robert Bau stellte uns die EWW (www.eww.de) in Zahlen vor: 570 Menschen mit Behinderung arbeiten an 28 Standorten der EWW in Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven, dazu kommen noch 40 Beschäftigte, die ausgelagert in Firmen unserer Region arbeiten, aber weiterhin an die EWW angegliedert sind. Die EWW bieten nicht nur Arbeit, sondern zum Angebot gehören auch ein Kindergarten, Schulbegleitungen und Wohnstätten. Rund 450 Angestellte und 25 Freiwilligendienstler kümmern sich um die Betreuung der Menschen mit Behinderung und den Betrieb der EWW. Das Ziel der EWW ist die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft. Für die Betriebe unserer Region sind die EWW auf zwei Ebenen besonders interessant: Sie können dort einen neuen Mitarbeiter finden oder eine Dienstleistung zu den EWW auslagern.
Ein neuer Mitarbeiter für Ihr Unternehmen?
Elke Kaune von der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) hat uns kürzlich berichtet, wie sie Arbeitgeber unterstützt, wenn diese Menschen mit Behinderung beschäftigen (Zum Bericht „Fachkräftemangel – die EAA hilft“). Individuelle Bedürfnisse müssen nicht störend im Arbeitsablauf sein, wenn die Arbeit zum Mitarbeiter passt. Über Fördermittel können Nachteile ausgeglichen werden oder Arbeitsplätze passend gemacht werden. Nicole Richter, Fachbereichsleiterin des Integrationsfachdienstes, zu dem auch die EAA gehört, stellte die vielfältigen Angebote für Menschen mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen in ihrem Haus vor. Begleitung bei der Teilhabe am Arbeitsleben findet dort für Menschen im Schulalter bis kurz vor Renteneintritt statt und umfasst die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz sowie Hilfe bei Schwierigkeiten im Arbeitsleben.
Der Fachbereich Arbeit & Bildung der EWW ist ebenfalls nicht als Endstation für Menschen mit Behinderung gedacht: Hier arbeiten viele Menschen, die gerne zurück zu einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möchten und das mit etwas Unterstützung auch können. Die Unterstützung wird dabei auf beiden Seiten gewünscht, denn auf beiden Seiten gibt es Bedenken. „Ich denke, es ist ein Zusammenspiel aus den Ängsten der Firmen jemanden mit besonderem Kündigungsschutz zu beschäftigen und den Ängsten unserer Beschäftigten“, sagt Hatice Alp, die als Qualifizierungs- und Vermittlungsdienst bei den EWW für die Vermittlungen aus der Werkstatt heraus zuständig ist. „Die Beschäftigten haben Sorge, ihre besonderen Rentenansprüche zu verlieren oder sie genießen den Schutz der Werkstätten“, erklärt sie. Um die Ängste auf beiden Seiten abzubauen, gibt es verschiedene Modelle, mit denen Beschäftigte und auch die Firmen sich kennenlernen und die Situation erproben können: kurz- oder langfristige Praktika, ausgelagerte Arbeitsplätze, Förderung über das Budget für Arbeit und auch Ausbildungen sind möglich. Rund 10 bis 14 Praktikanten und 23 bis 28 Beschäftigte sind außerhalb der EWW tätig. Drei Menschen haben im letzten Jahr den vollständigen Wechsel von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt geschafft.
Eine neue Welt für Ihren Betrieb?
Mit einem Blick auf das Angebot an Dienstleistungen der Elbe-Weser Welten versteht man schnell, was sich hinter dem Begriff „Welten“ alles versammelt: Servicewelten, Genusswelten, Grünwelten und Produktionswelten. Vor Jahrzehnten ging es in Werkstätten für Behinderte Menschen mehr um Beschäftigungstherapie als um Arbeit – die Zeiten sind längst vorbei! Lars Kunau, Bereichsleitung Dienstleistungen für den Fachbereich Arbeit & Bildung berichtet, dass dort heute echte Arbeit erledigt wird. Auftraggeber sind Unternehmen, Privatpersonen und staatliche Institutionen. Das Angebot der möglichen Arbeitsaufträge ist ebenso vielfältig und unterschiedlich wie die Stärken der Menschen. Ob es darum geht, Lampen auf der Produktionsstraße den letzten Schliff zu verpassen, den Garten zu pflegen, die Krankenhausbettwäsche zu reinigen oder Einladungen zu drucken – In den EWW ist vieles möglich. Die Genusswelten der EWW reichen von anspruchsvollem Catering bis hin zu selbstgemachter Marmelade, von der sich jeder Anwesende des Stammtischs eine Kostprobe mitnehmen durfte.
berry2B – die App für Schüler und Betriebe
Nach dem Blick in die verschiedenen Welten der EWW stellte Tim Kerting die App berry2b (home.berry2b.com) vor, mit der die Schüler ihren Schulalltag organisieren und sich beruflich orientieren können. Tim Kerting leitet die Beratung und das Management von Digitalisierung in der Firma Gridventurens (Nordenham), die auf digitalem Weg gegen den Fachkräftemangel arbeitet.
Gemeinsam mit Schülern entwickelte das Entwicklerteam von berry2b die App, mit der Schüler ihren Schulalltag organisieren können: Aufgaben eintragen und planen, den Notenspiegel im Blick behalten, Dateien teilen und sich zum Austausch in Gruppen treffen. Dann kam ein weiterer Aspekt dazu: „Wenn die App eh jeden Tag von den Schülern genutzt wird, dann ist es auch sinnvoll, sie zur Berufsorientierung zu nutzen“, sagt Tim Kerting. Deshalb bietet berry2b auch gezielte Unterstützung bei Berufsorientierung: Die Schüler können ihren Lebenslauf in der App erstellen, Bewerbung schreiben und ein Interessenprofil anlegen. Rund 130.000 Schüler nutzen die App berry2b bereits. Das macht es auch interessant für Unternehmen, die ein Profil in der App erstellen können, um sich vorzustellen. So werden sie gut von interessierten Schülern gefunden und die Kontaktaufnahme kann in der App stattfinden. Über 500 Unternehmen nutzen diese Möglichkeit bereits. Während die App für Schüler kostenlos ist, zahlen Unternehmen für ein Profil. Eine Staffelung der Preise finden Sie auf der Website der App.
Warum unsere Mitglieder das Netzwerk schätzen
Lars Müller (Filialdirektor Deutsche Bank Bremerhaven und Initiator unseres Stammtisches) schlug bei der Vorstellungsrunde vor, zusätzlich auch zu berichten, was man am Netzwerk schätzt. Die Antworten waren breitgefächert, denn es hatte tatsächlich jeder etwas dazu zu sagen.
Kontakte, Kontakte, Kontakte
Kontakte sind die Grundlage für viele Projekte und andere Formen der Zusammenarbeit. Für große Projekte werden über die Kontakte schnell genug Teilnehmer gefunden: Wenn ein Berufsorientierungstag, ein Talentpool oder das MIG geplant wird, sind immer genug Unternehmen aus der Region dabei. Auch für kleinere Projekte findet man schnell den passenden Partner, sei es eine gesuchte Schule für eine Promotion, ein Projekt untereinander oder eine Zusammenarbeit zwischen einer Schule und einem Betrieb. Seit es den regelmäßigen Stammtisch gibt, ist es für die Mitglieder noch leichter, Kontakt untereinander herzustellen oder zu halten.Horizonterweiterung führt zu neuen Ideen
Durch das Miteinander unterschiedlicher Bereiche und die Vorträge auf den Stammtischen schauen unsere Mitglieder über ihren Tellerrand hinaus, erweitern ihren Horizont und erfahren schnell von neuen Möglichkeiten und Ideen. Man kann Anregungen erhalten, genauso aber auch seine eigenen Anregungen unterbringen statt mit seiner vielleicht brillanten Idee alleine Zuhause zu sitzen.Aktivitäten kennen und nutzen
Über das Netzwerk erfahren unsere Mitglieder schnell von neuen Projekten. Projekte, die man sonst vielleicht nicht mitbekommt. Jemand äußerte, von der Praktikumswoche nur durch das Netzwerk erfahren zu haben. Ob es um Projekte des Netzwerks oder manchmal auch um Projekte von außen geht: Nur wer davon weiß, kann auch teilnehmen.Auszubildende finden
Ein Plan geht auf: Eins unser Hauptanliegen ist die Fachkräftesicherung in der Region. Genau das wird auch von den Betrieben bestätigt: Sie sind im Netzwerk, weil sie junge und interessierte Leute suchen und auch schon manches mal Auszubildende und Praktikanten über eins unserer Projekte gefunden haben. Auch von den Schulen wird die direkte Verbindung geschätzt, die unser Netzwerk zwischen Schülern und den Unternehmen der Region herstellt.Unterstützung auf allen Seiten
Unsere Mitglieder fühlen sich unterstützt. Die Schulen wissen die Projekte des Netzwerks zu schätzen, über die die Schüler leichter an Ausbildungsverträge und Praktikumsplätze kommen. Gleichzeitig wissen die Betriebe den Zugang zu den jungen Menschen zu schätzen. Wer ein Projekt plant, meldet sich damit gleich bei Horst Lüdtke, vielleicht nur, um nach einem Referenten aus einem Betrieb zu fragen, die aus dem Netzwerk vermittelt werden und einen Vortrag an einer Schule halten. Auch die Kommunen bestärken das Netzwerk mit ihrer Arbeit und ihren Kontakten – und sie nutzen es, um ihrerseits Gutes beizutragen.Miteinander wird es leichter
Dank des Netzwerks kann man auf kurzem Weg zusammenkommen, ist eng miteinander und auch Zwischenmenschliches hat Platz. Wenn man gemeinsam auf ein Projekt zusteuert, kennt man sich bereits – und das macht alles leichter.Sinn im Sein und Zufriedenheit
Die Gründe für eine aktive Mitgliedschaft im Netzwerk sind nicht immer nur im Außen zu finden, sondern manchmal auch in den Menschen selbst. Birgit Becker, ehemalige Schulleiterin des Gymnasiums Wesermünde, sagt: „Ich will jetzt zurückgeben, was das Netzwerk für unsere Schule getan hat.“ Auch unser Geschäftsführer Horst Lüdtke findet morgens in der Arbeit für das Netzwerk seine Motivation. Allgemein haben die Menschen in unserem Netzwerk eine hohe Zufriedenheit, denn gleich mehrere Leute behaupten, sie hätten den besten Job der Welt – obwohl es ganz unterschiedliche Berufe und Arbeitgeber sind. Setzen sich zufriedene Menschen eher ein, um mit ihrem Handeln (wie bei uns im Netzwerk) etwas zu verbessern, oder werden Menschen zufriedener, wenn sie handeln?
Ralf Biallas, Schulleiter der Max-Eyth-Schule, bezog sich bei seiner Vorstellung auf das Hier und Jetzt: „Ich habe eben schon lange Ohren gemacht. Die Landfrauen planen ein Projekt zur Ernährung an Schulen? Darüber möchte ich gleich mehr wissen!“ Das war anschließend möglich, als sich alle mit leckeren Brötchen vom Buffet im Raum verteilten, um sich in freien Gesprächen über Projekte, Herausforderungen und Ideen auszutauschen.
Text und Fotos: Janina Berger